4 Studien, 1 Ergebnis

Studien

Titel: Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen
Autor:innen: Stahlberg, D., & Sczesny, S.
Jahr: 2001
Erschienen in: Psychologische Rundschau, 52
doi: 10.1026//0033-3042.52.3.131
Untersuchte Stile: GM; Beidnennung & GM; Beidnennung, Binnen-I
Kurzzusammenfassung: Bei Personenreferenzen im generischen Maskulinum ist ein geringerer gedanklicher Einbezug von Frauen zu beobachten.

Stahlberg & Sczesny möchten herausfinden, ob die Nutzung des generischen Maskulinums zu einer geringeren Einbeziehung von Frauen führt.

Das Ziel: Anhand vier verschiedener Einzelstudien herausfinden, ob Frauen durch das GM gedanklich weniger bedacht werden.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gab es bzgl. der Fragestellung nur wenig empirische Forschung für das Deutsche:

  1. Weibliche Befragte schätzen den Frauenanteil von Gruppen höher ein, wenn diese nicht mit einem GM benannt werden (Braun et al., 1998; Stahlberg et al., 1998).
  2. Lesezeit lässt darauf schließen, dass das GM zu einem geringeren gedanklichen Einbezug von Frauen führt (Irmen & Kaczmarek, 2000).

Fragestellung:
Führt die Nutzung des GM zu geringerem gedanklichen Einbezug von Frauen?

Hypothesen:

  • Studie 1: Das GM beeinflusst die Anzahl genannter weiblicher Exemplare.
  • Studie 2: Das GM beeinflusst die Anzahl der Nennung weiblicher Vertreterinnen einer Gruppe.
  • Studie 3: Das GM beeinflusst die Anzahl der Nennung weiblicher Vertreterinnen verschiedener Gruppe.
  • Studie 4: Das GM beeinflusst die Zuordnungsgeschwindigkeit von Personen zu Gruppen abhängig von der Einstellung zu gendergerechter Sprache der befragten Person.

Methode

Stichprobe:
96 Personen, 50 weiblich; Studierende

Material:
Fragebogen mit 16 Fragen;
6 Fragen davon kritisch für die Studie (Nennung von Lieblingsromanheld, -held, -maler, -musiker, -sportler);
2 Versionen: GM & Beidnennung

Design:
3×2 between-subjects Design

Ergebnisse

Die Fragebogenversion mit Beidnennung führt zu mehr Nennungen von weiblichen Vertreterinnen der abgefragten Gruppe. Demnach hemmt das GM den Abruf weiblicher Exemplare.

Methode

Stichprobe:
120 Personen, 59 weiblich; Studierende

Material:
Fragebogen zur Bundestagswahl 1994;
Fragen zu Kandidierenden der CDU und SPD;
2 Versionen: GM & Beidnennung

Ergebnisse

In der Beidnennungs-Version des Fragebogens werden als Antworten häufiger weibliche Exemplare bedacht als in der GM-Version. Dies ist allerdings nur der Fall, wenn es für entsprechende Fragen auch real existierende weibliche Vertreterinnen zur Antwort gibt.

Methode

Stichprobe:
90 Personen, 45 weiblich; überwiegend Studierende

Material:
Fragenbogen u.a. zu berühmten Persönlichkeiten;
Einstiegsfrage: „Geben Sie zu den folgenden Fragen bitte jeweils die drei prominenten Persönlichkeiten an, die Ihnen am schnellsten einfallen: Nennen Sie drei Sportler (Sänger, Politiker, Moderatoren)„;
3 Versionen: GM, Beidnennung, Binnen-I

Ergebnisse

Die GM-Version des Fragebogens führt zu weniger Nennungen weiblicher berühmter Persönlichkeiten als die in gendersensibler Sprache. Generell, d.h. unabhängig von der Version, nennen Frauen mehr weibliche Persönlichkeiten als Männer.

Methode:

Stichprobe:
96 Personen, 48 weiblich; Studierende

Material:
32 Persönlichkeiten werden per Dia gezeigt;
Zugehörigkeit der Personen zu einer benannten Gruppe festgestellt werden;
TN antworten per Knopfdruck (ja/nein);
hierbei wird die Schnelligkeit gemessen;
Gruppen werden in 3 Versionen benannt: GM, Beidnennung, Binnen-I

Zusätzlich füllen TN einen Fragebogen (Prentice, 1994) zur persönlichen Einstellung zu gendergerechter Sprache aus.

Design:
3x2x2 between-subjects Design

Ergebnisse

Für Personen mit negativer Einstellung zu gendergerechter Sprache zeigen sich keine Unterschiede in der Antwortgeschwindigkeit.
Für Personen mit positiver Einstellung zu gendergerechter Sprache zeigt sich ein Unterschied: GM führt zu längeren Reaktionszeiten, wenn eine weibliche Person zuzuordnen ist.

Führt die Nutzung des GM zu geringerem gedanklichen Einbezug von Frauen?

Ja. „Dieser Befund kann als gesichert gelten: In allen vier vorgestellten Studien führte der Gebrauch des generischen Maskulinums zu einem geringeren gedanklichen Einbezug von Frauen im Vergleich zu alternativen Sprachformen wie der Beidnennung oder dem “Großen I“. Dies zeigte sich sowohl bei direkten Maßen (vgl. Studie 1 bis Studie 3) wie der Anzahl der Nennungen von Frauen als auch in eingeschränkter Form bei indirekten Maßen wie Reaktionszeiten (vgl. Studie 4).“ (Stahlberg & Sczesny, 2001:Diskussion).

Bezüglich der Funde der vierten Studie lässt sich nur vermuten, inwiefern die persönliche Einstellung eine Rolle spielt. Stahlberg & Sczesny vermuten: „Je selbstverständlicher und gesellschaftlich akzeptierter der Gebrauch alternativer sprachlicher Formen wie Beidnennung oder das “Große I“ wird, desto eher sollten generisch maskuline Formen im Sinne eines spezifischen Maskulinums interpretiert werden.“

Braun, F., Gottburgsen, A., Sczesny, S., & Stahlberg, D. (1998). Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen. Zeitschrift für germanistische Linguistik, 26, 265-283.
Irmen, L, & Kaczmarek, N. (2000). Beeinflusst das grammatische Geschlecht die Repräsentation von Personen in einem mental Modell? Ein Vergleich zwischen einer englischsprachigen und einer deutschsprachigen Stichprobe. 42. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Jena.
Prentice, D. A. (1994). Do language reforms change our way of thinking? Journal of Language and Social Psychology, 13, 3-19.
Stahlberg, D., & Sczesny, S. (2001). Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. Psychologische Rundschau, 52, 131-140. doi: 10.1026//0033-3042.52.3.131
Stahlberg, D., Sczesny, S., Braun, F., & Gottburgsen, A. (1998). Generic masculine terms in German. 24th International Congress of Applied Psychology, International Association of Applied Psychology, San Francisco.